1 Erste Gentherapie gegen Krebs zugelassen
In den USA ist zum ersten Mal eine Gentherapie gegen Krebs (Leukämie) zugelassen worden. Es ist nur eine Frage der Zeit bis Zulassungen in Europa und anderen Ländern für diese Gentherapie folgen werden. In Europa könnte eine derartige Gentherapie ebenfalls noch 2017 zugelassen werden.
Das Prinzip dieser Gentherapie wird zukünftig Anwendung bei weiteren Krebsarten und anderen Erkrankungen finden und markiert einen Meilenstein in der Krebstherapie. Diese komplett neue Art der Behandlung könnte die Krebstherapie und andere Bereiche der Medizin revolutionieren.
Allerdings sind die schwerwiegenden Nebenwirkungen und die hohen Kosten Gründe, weshalb zukünftig nur wenige Patienten von den neuartigen Gentherapien profitieren werden.
2 Wie funktioniert die neue Gentherapie Namens Kymriah?
Das Grundprinzip der neuen Gentherapie Namens Kymriah ist Immunzellen eines Patienten so zu verändern dass diese in die Lage versetzt werden Krebszellen zu zerstören. Es handelt sich um eine autologe T-Zell-Immuntherapie mit gentechnisch veränderten T-Zellen.
Zunächst werden dem Patienten Immunzellen, die sogenannten T-Zellen entnommen. Diese T-Zellen werden dann in einem Labor gentechnisch so verändert, das diese Krebszellen erkennen können. Anschließend werden diese gentechnisch veränderten T-Zellen dem Patienten durch Infusion wieder verabreicht.
Durch die Genmanipulation wird ein neues Gen in die T-Zellen des Patienten eingebracht, das für einen Antigen-Rezeptor (Anti-CD19) kodiert. Dieser Rezeptor wird dann an der Zelloberfläche der gentechnisch veränderten gentechnisch veränderten T-Zelle präsentiert und erkennt ein spezielles Antigen (CD19) auf der Krebszelle. Die Bindung des Rezeptors der T-Zelle an das CD19-Antigen der Krebszelle führt zu einer Immunantwort in deren Folge T-Zellen die Krebszellen angreifen und letztendlich zerstören können.
Der genmanipulierte Antigen-Rezeptor ist eine sogenannte Chimäre (von griechisch „Mischwesen“) und wird auch als CAR („chimeric antigen receptor“), und die neue Gentherapie als CAR-T (für T-Zelle) bezeichnet.
3 Bei welcher Krebsart wird die neue Gentherapie „Kymriah“ eingesetzt?
Die neue CAR-T Gentherapie Kymriah ist in den USA bei Patienten bis zu 25 Jahren zugelassen, die an einer bestimmten Form der Akuten Lymphatischer Leukämie (ALL), der sogenannten B-Zell-Vorläufer-ALL leiden. Kymriah ist durch den Schweizer Pharmakonzern Novartis patentiert.
Die Akute Lymphatische Leukämie (ALL) ist die häufigste Leukämieform (Blutkrebs) bei Kindern. Durch sehr gut entwickelte Therapieprotokolle können heutzutage weit mehr als 80% der Kinder mit ALL geheilt werden können. Es handelt sich bei der ALL um eine der am besten behandelbaren Krebserkrankungen überhaupt. Nichtsdestotrotz sind einige Patienten und vor allem die pro-B-ALL, eine Unterform der B-Zell-Vorläufer-ALL, bisher nur sehr schlecht behandelbar.
4 Zulassung durch die FDA
Die neue CAR-T Gentherapie Kymriah wurde am 30. August 2017 durch die FDA (Food and Drug Administration) in den USA zugelassen. Sie darf ab jetzt bei Patienten mit B-Zell-Vorläufer-ALL eingesetzt werden, die:
- unter 25 Jahre alt sind und
- bei denen die Therapie gar nicht erst angeschlagen hat oder
- die bereits zwei Mal einen Rückfall nach Therapie erlitten haben
5 Wie erfolgreich ist die neue Gentherapie „Kymriah“?
Die FDA (Food and Drug Administration) berichtete am 30. August 2017 in einer Pressemitteilung von Ihrer Zulassung von Kymriah. In dieser Pressemitteilung berichtete die FDA außerdem, dass die Sicherheit und Wirksamkeit in einer multizentrischen klinischen Studie mit 63 Kindern bei denen die Therapie gar nicht erst angeschlagen hat oder die bereits zwei Mal einen Rückfall nach Therapie erlitten demonstriert worden sei. Innerhalb von drei Monaten habe Kymriah bei 83 % der Patienten zu einer Remission geführt. Ob die Wirkung der Therapie tatsächlich dauerhaft ist wird die Zeit zeigen. Der Studienleiter von Novartis, Stephen Grupp von der Universität Pennsylvania, schätzt, dass nach einem Jahr etwa 60% der Patienten weiter in Remission sein werden.
6 Schwere Nebenwirkungen sind häufig
Der Preis für diese neuartige Gentherapie sind schwerwiegende Nebenwirkungen wie:
- schwerwiegende Infektionen
- starkes Fieber
- grippeähnliche Symptome
- niedriger Blutdruck
- Nierenprobleme
- ein verringerter Sauerstoffgehalt im Blut
Zudem kam es zu lebensbedrohlichen, schwerwiegenden Nebenwirkungen wie:
- Zytokin Sturm (“cytokine release syndrome”, CRS)
- schwere neurologische Symptome
, die bei einigen Patienten zum Tode führten.
Die meisten der Symptome traten in den ersten 22 Tagen nach Infusion des Patienten mit den gentechnisch veränderten T-Zellen auf.
Das Auftreten schwerwiegender Infektionen erklärte die FDA mit der Tatsache, dass der gentechnisch in die T-Zellen eingebrachte Antigen-Rezeptor (Anti-CD19) auch normale, gesunde B-Zellen zerstört, die extrem wichtig für das menschliche Immunsystem (die adaptive Immunantwort) sind. Deshalb könne es zu einem erhöhten Risiko für Infektionen über einen längeren Zeitraum kommen.
Der Chefonkologe des Northwell Health Cancer Institute in New York, Craig Devoe, kritisierte in diesem Kontext, dass bisher nicht geklärt sei wie lange die genmanipulierten T-Zellen nach einer Heilung weiter aktiv bleiben. Damit ist nicht geklärt wie lange das Immunsystem der behandelten Patienten geschwächt bleibt und wie lange ein erhöhtes Risiko für Infektionen besteht
6.1 Zytokin Sturm (“cytokine release syndrome”, CRS)
Wegen des relative hohen Risikos eines Zytokin-Sturms (CRS) und dem Auftreten schwerer neurologischer Symptome dürfen nur durch die FDA zertifizierte Kliniken Kymriah anwenden, die über angemessene Risikominderungsstrategien verfügen.
Insbesondere muss – laut FDA – das Personal im Rahmen der Zertifizierung entsprechend geschult werden, um das Auftreten eines Zytokin-Sturms (CRS) und neurologische Symptome zu erkennen und zu behandeln.
Zur Behandlung müsste zudem der Wirkstoff Tocilizumab zur sofortigen Gabe vorrätig sein. Deshalb wurde am 30. August 2017 nicht nur Kymriah, sondern auch Tocilizumab (ACTEMRA®, Genentech Inc.) zur Behandlung des Zytokin-Sturms (CRS) während der CAR-T Gentherapie Kymriah von der FDA zugelassen
7 Zukünftige Anwendung der Gentherapie bei weiteren Krebsarten
Das Grundprinzip der neuen CAR-T Gentherapie Namens Kymriah von Novartis ist es Immunzellen eines Patienten so zu verändern, dass diese in die Lage versetzt werden Krebszellen zu zerstören. Dabei werden T-Zellen des Patienten verwendet die durch eine Genmanipulation einen neuen Rezeptor (Anti-CD19) auf ihrer Zelloberfläche präsentieren.
Prinzipiell kann bei dieser Genmanipulation der T-Zelle jeder denkbare Rezeptor in Zelloberfläche der T-Zelle eingebracht werden. Unterschiedliche Krebszellen tragen auf Ihrer Zelloberfläche unterschiedliche, mehr oder weniger spezifische Antigene, die als Zielstrukturen einer zukünftigen, CAR-T-basierten Gentherapie dienen können. Beispielsweise forscht die Firma Kite in den USA an einer ähnlichen Behandlung für Erwachsene, die an diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) erkrankt sind.
Eine CAR-T basierte Gentherapie mit anderen Rezeptoren könnte nicht nur zirkulierende Tumorzellen bei Blutkrebs, sondern auch solide Tumoren in Brust, Prostata, Lunge, Gehirn, Bauchspeicheldrüse oder Eierstock zum Ziel haben. Eines ist allerdings heute schon klar: Es wird deutlich schwieriger sein solide Tumoren mit der CAR-T Therapie zu behandeln, weil diese sich in einem Milieu (Microenvironment) befinden, dass für die veränderten T-Zellen deutlich schwieriger zu erreichen ist.
Das Prinzip der CAR-T Gentherapie wird zukünftig Anwendung bei weiteren Krebsarten und anderen Erkrankungen finden und markiert deshalb einen Meilenstein in der Krebstherapie. Die CAR-T Gentherapie könnte nicht nur die Krebstherapie, sondern auch andere Bereiche der Medizin, vor allem die Bekämpfung von Viruserkrankungen, revolutionieren. Eine wichtige Rolle für die allgemeine Verbreitung der CAR-T und anderer Gentherapien wird die Verbesserung der schwerwiegenden Nebenwirkungen und die Senkung der hohen Kosten dieser Therapieform sein. Erst dann werden viele Patienten von den neuartigen Gentherapien profitieren können.
8 Wie hoch sind die Kosten von „Kymriah“?
Novartis verlangt für eine Behandlung mit der neuen CAR-T Gentherapie Kymriah einen Preis von 475.000,- US-Dollar. Diese auf den ersten Blick sehr hohen Kosten sind deutlich geringer als von den Investoren erwartet. An der Wall Street Diese hatte man mit einem Preis von bis zu 750.000,- US-Dollar gerechnet.
Der Gründer der Amerikanischen Interessenvertretung “Patienten für bezahlbare Medikamente” findet den Preis dagegen übertrieben. Er sagte „Novartis sollte keine Anerkennung dafür bekommen ein Medikament für 475.000,- US-Dollar mit der Begründung auf den Markt zu bringen man hätte noch viel mehr dafür verlangen können“.
Tatsächlich ist die Festlegung des Preises eine Abwägung um einerseits die Investitionen der Entwicklung für Kymriah wieder einzuspielen und anderseits genug Patienten Zugang zur Therapie zu verschaffen, sagte Bruno Strigini, der Leiter der Onkologie von Novartis.
Der Chief Executive Officer (CEO) von Novartis, Joseph Jimenez, betonte die absolute Zahl des Preises sei groß, aber die medizinische Forschung werde nicht vorankommen, wenn die Unternehmen nicht darin investierten. Das könne ein Unternehmen aber nur dann tun, wenn es damit eine angemessene Rendite erzielen könne.
Man kann den Preis sehen wie man will, er offenbart jedenfalls ein großes Dilemma. Zum Einen würden Eltern alles tun um ihr Kind vor dem Tod durch Leukämie zu retten, zum Anderen: Wer hat schon eine halbe Million US-Dollar auf dem Konto?